Mein Tacho zeigt 140 km/h, es ist 18:17 Uhr an einem dunklen Dezemberabend. Ich sehe etwas im Scheinwerferlicht – ich trete aufs Gas. Es ertönt ein dumpfer Schlag. Ich grinse, fahre rechts ran. Auf der Straße liegt ein Fuchs. Er zuckt noch. Aus dem Kofferraum hole ich meinen Baseballschläger. Der Fuchs versucht sich noch krampfhaft in das Feld zu retten. Nur irgendwie runter von der Straße. Man sieht ihm seine Schmerzen wahrlich an. Seine Hinterbeine sind komplett zermatscht, er schiebt sich mit den Vorderbeinen langsam vorwärts. Ich hole weit aus – und schlage zu. Ein kurzes, lautes Heulen, dann ist der Fuchs von seinen Leiden erlöst.
Ich packe den leblosen Körper an den Hinterbeinen, so weit von diesen noch etwas übrig geblieben ist, und ziehe ihn zu meinem Pick-Up. Dort angekommen, werfe ich den Fuchs auf die Ladefläche. Vorsichtig wende ich und fahre mit meinem Fahrzeug heimwärts. Ich drehe das Radio auf. Es läuft eine Talk-Show, es geht um die Tierhaltung in Deutschland. Einer der Gäste kritisiert die Haltungsbedingungen der Tiere. Ein anderer beteuert, dass er nur Fleisch von glücklichen Tieren isst. Ich lache laut auf und schüttle meinen Kopf. Ein Tier, das in Gefangenschaft aufwächst, kann doch nicht glücklich sein.
Ich biege in die Einfahrt meines Hauses. Meine Frau kommt aus dem Haus, sie hat bereits einen weißen Kittel um. Ich fahre mit dem Pick-Up vor die Garage. „Da bist du ja endlich, ich habe mir schon Sorgen gemacht!“ raunzt sie mich an. „Ich war zumindest erfolgreich“ erwidere ich und gebe ihr einen Kuss auf die Backe. Ich schleife den Fuchs in die Garage. Meine Frau hat dort bereits alles vorbereitet. Erst lasse ich den Fuchs noch richtig ausbluten. Anschließend ziehen wir ihm behutsam das Fell ab. Fuchsfell lässt sich ganz gut verkaufen, die Leute lieben das Zeug. Früher hat man daraus noch Mäntel gemacht, heute ist es mehr zur Deko. Bommel auf der Mütze und so ein Zeug. Aber mir ist das gleich, wenn ich noch ein paar Euro dafür bekomme, bin ich zufrieden. Ganz gleich was die Leute danach damit machen.
Wir zerlegen den Fuchs Stück für Stück. Die Innereien kommen in eine extra Schüssel. Den Rest schneidet meine Frau fleißig in Tagesportionen. Bei uns bleibt nichts übrig. Selbst aus dem zermatschten Beinen kratzen wir noch das Fleisch heraus. Den Darm waschen wir sorgfältig aus und pressen anschließend die weniger schönen Fleischstücke des Fuchses hinein. Fuchswurst. Ich liebe Fuchswurst.
Die Knochen werfe ich in meinen Mixer. Nach einer Minute auf Turbo-Stufe kippe ich Zucker und ein paar Früchte hinzu. Noch einmal Turbo-Stufe. Die fertige Masse kippe ich in die bereitgestellten Formen: Gummibärchen in Fuchsform. Die Vorlage habe ich mit meinem 3D-Drucker selbst ausgedruckt.
Meine Frau und ich, wir sind gegen Tierquälerei, möchten aber auch nicht auf Fleisch verzichten. Auch der nette Biobauer um die Ecke hält seine Tiere schließlich in Gefangenschaft. Das wollen wir nicht. Selbst die Jäger machen sich einen Spaß aus der Jagd, und die Bleikugeln möchte ich nicht mitessen. Außerdem, seit ein guter Freund vor ein paar Jahren von einem Jäger angeschossen wurde, möchte ich dieses Geschäft nicht mehr unterstützen. Zum Glück hat er den Vorfall überlebt. Die Jagd ist einfach viel zu gefährlich. Also habe ich mich für eine neue Art des McDrive entschieden – was mir unter die Räder kommt wird gegessen. Die Tiere lebten in Freiheit, hatten somit das bestmögliche Leben. Sterben muss schließlich jeder irgendwann.
Meine Frau hängt einen Teil des Fleisches zum Räuchern auf, der Großteil landet in unserer großen Gefriertruhe. Die Innereien nimmt sie mit ins Haus. Als erstes werfen wir die blutverschmierten Kittel in die Waschmaschine. Dann gehen wir in die Küche. Aus der Gefriertruhe habe ich noch ein wenig Katzenfleisch von letzter Woche mitgenommen. Der schwarz-weiße Kater ist mir vors Auto gelaufen – Pech gehabt. Ich schneide die Katzensteaks in feine Streifen. Meine Frau mariniert die Innereien, während sie etwas Reis kocht. Ich schneide etwas Gemüse und werfe es zusammen mit den Katzenstreifen in den Wok. Die Innereien brät meine Frau separat in einer Pfanne scharf an.
„Kinder, Essen ist fertig!“ rufe ich nach oben. Carolin und Frederick kommen die Treppe runter gelaufen. „Na meine Lieben, wie war es heute im Kindergarten?“. Die beiden beginnen zu erzählen, was sie heute alles erlebt haben.
Meine Frau bringt das Essen an den Tisch. Die Kinder greifen nach den Innereien. Carolin weint, weil Frederick schneller nach dem Fuchsherz gegriffen hat. Wir erklären Frederick, dass teilen etwas sehr wichtiges ist, und Frederick sieht letztendlich ein, dass er das Herz nicht für sich allein haben kann. Er halbiert es in der Mitte und gibt Carolin die andere Hälfte.
Später schauen wir noch etwas fern, die Kinder essen ein paar Gummibärchen. Ich mische die Gummibärchen immer schön durch, so ist von allen etwas dabei: Fuchs, Reh, Igel, Hase, Katze und Hund. Alle in unterschiedlichen Farben und Geschmacksrichtungen. Lecker – und nur von Tieren, die ein glückliches Leben in Freiheit genießen durften.
"In Freiheit leben heißt erst leben."
Karl Wilhelm Ramler - (1725 - 1798) - Deutscher Schriftsteller